KLI­MA­SCHUTZ – SOZI­AL UND GERECHT: GEHT DAS?

Autorin Susanne Feeß

Susan­ne Feeß
03.09.2021

Umwelt schüt­zen, Kli­ma ret­ten und Kon­sum von fair her­ge­stell­ten Pro­duk­ten lie­gen im Trend. 

Wie kön­nen wir, als Gesell­schaft und als Ein­zel­per­son, kon­se­quent am Kli­ma- und Umwelt­schutz dran­blei­ben und dar­an mit­wir­ken, dass alle Men­schen dar­an teil­ha­ben können?

Aus­ran­gier­te Schwimm­wes­ten der ehe­ma­li­gen Flug­ge­sell­schaft Con­dor die­nen als Stoff für extra­va­gan­te Upcycling-Produkte. 

Umwelt­scho­nen­de Hand­lungs­mög­lich­kei­ten in der Gesell­schaft fest zu ver­an­kern ist ein schwie­ri­ges The­ma. Ein Bei­spiel aus der Pra­xis, das zeigt wie es geht, ist das bun­des­wei­te Pro­jekt Stromspar-Check!

Als ein gemein­sa­mes Ange­bot des Deut­schen Cari­tas­ver­ban­des e. V. und des Bun­des­ver­ban­des der Ener­gie- und Kli­ma­schutz­agen­tu­ren Deutsch­lands e. V bie­tet das Pro­jekt Bera­tung zur Ener­gie­ef­fi­zi­enz für ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te (Haus­hal­te, die Sozi­al­leis­tun­gen bezie­hen oder nur über eine gerin­ge Ren­te ver­fü­gen) an. Der Strom­spar-Check star­te­te 2005 in Frank­furt als Koope­ra­ti­on zwi­schen dem Ener­gie­re­fe­rat Frank­furt und dem Cari­tas­ver­band Frank­furt. Ziel war, effi­zi­en­te Ener­gie­nut­zung an Men­schen her­an­zu­tra­gen, die über die Ver­brau­cher­zen­tra­le oder öffent­li­che Maß­nah­men nicht erreicht wer­den. Schnell ent­stand die Idee, gemein­sam mit dem Job­cen­ter, die­ses Bera­tungs­an­ge­bot als Beschäf­ti­gungs­maß­nah­me für Lang­zeit­ar­beits­lo­se zu etablieren.

 

Kli­ma­schutz und sozia­le Gerech­tig­keit gehö­ren unteil­bar zusammen. 

Über Qua­li­fi­ka­tio­nen wer­den bis heu­te Sozialleistungsempfänger*innendarin geschult, nie­der­schwel­li­ge Bera­tun­gen über Strom spa­ren, Kli­ma­schutz und Ener­gie­ef­fi­zi­enz durch­zu­füh­ren. Die Initia­ti­ve, sinn­vol­le Beschäf­ti­gun­gen anzu­bie­ten, bei der jede Per­son spü­ren kann, gebraucht zu wer­den und die gleich­zei­tig Kli­ma- und Umwelt­schutz ein­schließt, wur­de 2008 als bun­des­wei­tes Pro­jekt ausgeweitet. 

Öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­tio­nen von Gesell­schaf­ten müs­sen sozi­al­po­li­ti­sche Kom­po­nen­ten mit­den­ken. Kli­ma­schutz muss inte­gra­ler Bestand­teil der Sozi­al­po­li­tik sein, damit alle Men­schen Anteil neh­men kön­nen. Die Cari­tas über­nimmt hier­für Ver­ant­wor­tung, um die Lücke zwi­schen sozi­al­po­li­ti­schen For­de­run­gen und Rea­li­tät zu schlie­ßen. Ein wei­te­res Bei­spiel hier­für ist das Pro­jekt EiN­ZIG­WA­RE (www.einzigware.de).  

 

Öko­lo­gisch – krea­tiv – sozi­al: EiN­ZIG­WA­RE und Warenmeister*innen

Die Cari­tas in Deutsch­land stell­te 2012 das The­ma „Soli­da­ri­tät und gesell­schaft­li­cher Zusam­men­halt“ in den Fokus ihrer Arbeit, womit Men­schen fit gemacht wer­den soll­ten für den ers­ten Arbeits­markt. So ent­stand EiN­ZIG­WA­RE, das Upcy­cling Label des Deut­schen Cari­tas­ver­ban­des für Uni­ka­te, das auf Nach­hal­tig­keit, Müll­ver­mei­dung und sozia­le Teil­ha­be setzt.

Hocker und Bank aus alten Flugzeug-Sicherheitsgurten
Hocker und Bank aus alten Flugzeug-Sicherheitsgurten.

EiN­ZIG­WA­RE gibt Gegen­stän­den neu­es Leben und Men­schen neue Chan­cen. So wer­den bspw. aus den Mesh-Pla­nen der Cari­tas-Jah­res­kam­pa­gnen Taschen, Etuis und ande­re schö­ne Uni­ka­te. Aktu­ell gehö­ren rund 25 Stand­or­te zur Mar­ke. Die Werk­stät­ten der Beschäf­ti­gungs­be­trie­be von cari­team im Cari­tas­ver­band Frank­furt sind ein Teil davon.

In Frank­furt die­nen aus­ran­gier­te Sicher­heits­gur­te der Flug­ge­sell­schaft Con­dor für die Gestal­tung extra­va­gan­ter Sitz­mö­bel. Die seit Jah­ren bestehen­de Koope­ra­ti­on mit der Mes­se Frank­furt sorgt immer wie­der für außer­ge­wöhn­li­che Stof­fe von Tex­til­mes­sen, die krea­tiv ver­ar­bei­tet wer­den. Inzwi­schen bestehen seit vie­len Jah­ren enge Koope­ra­tio­nen mit dem regio­na­len Strom­an­bie­ter Mai­no­va, den umlie­gen­den Kom­mu­nen und dem Bund.

Neben dem wich­ti­gen Aspekt der res­sour­cen- und kli­ma­scho­nen­den Pro­duk­ti­on steht bei EiN­ZIG­WA­RE die Beschäf­ti­gung für Lang­zeit­ar­beits­lo­se und deren indi­vi­du­el­le Qua­li­fi­ka­ti­on im Vor­der­grund. In den Werk­stät­ten der Beschäf­ti­gungs­be­trie­be von cari­team erhal­ten sie die Mög­lich­keit, einer sinn­vol­len Tätig­keit nach­zu­ge­hen, schritt­wei­se wie­der an das Arbeits­le­ben her­an­ge­führt zu wer­den und wie­der am gesell­schaft­li­chen Leben teil­zu­neh­men. Als Wa(h)renmeister leis­ten sie einen Bei­trag zum Umwelt­schutz, in dem sie Upcy­cling­tech­ni­ken erler­nen und bekom­men indi­vi­du­el­le Unter­stüt­zung, ihre Fähig­kei­ten auszubauen.

Das Kon­zept der Beschäf­ti­gungs­maß­nah­me nimmt die ehe­mals Lang­zeit­ar­beits­lo­sen in ihrer Indi­vi­dua­li­tät in den Blick. Die För­der­pha­se kann des­halb auch mal über meh­re­re Jah­re gehen. Der Mensch, auch mit per­sön­li­chen und/oder psy­chi­schen Pro­ble­men, die alle Bemü­hun­gen erschwe­ren, kann sich lang­fris­tig in eine Auf­ga­be inte­grie­ren und sich voll und ganz per­sön­lich dar­auf ein­las­sen. Man­cher Stromsparberater*in wur­de so auch schon zum*r Projektleiter*in und hat seine/ihre Beru­fung gefunden.

„Wir kön­nen Türen öff­nen, sogar in die­sen schwie­ri­gen Zeiten“

Petra Spöck, Pro­jekt­lei­te­rin des Strom­spar-Checks in Frank­furt, erklärt: „Die Cari­tas schließt die Lücke zwi­schen umwelt­po­li­ti­schen Pro­jek­ten und sozi­al­po­li­ti­schen Aspek­ten durch lebens­na­he Bera­tung, die in den Haus­hal­ten und ent­lang der indi­vi­du­el­len Situa­ti­on statt­fin­det. Der Ver­band arbei­tet dicht am Leben der Men­schen und geht durch ver­schie­de­ne Akti­vi­tä­ten oder Pro­jek­te auf die Men­schen zu. Das ist unser Vor­teil. Man kennt uns oft bereits durch ande­re sozia­le Diens­te. Die städ­ti­schen Bera­tungs­an­ge­bo­te sind der Ziel­grup­pe meist nicht bekannt oder sie kom­men nicht auf die Idee, sich dort bera­ten zu lassen.“

Bewusst­seins­bil­dung für Kli­ma- und Umwelt­schutz auf Augen­hö­he. Die Berater*innen ken­nen die Pro­ble­ma­tik der Men­schen aus dem eige­nen Leben. Sie sind Teil der Ziel­grup­pe, spre­chen ihre Spra­che. Als Multiplikator*innen kön­nen sie ver­mit­teln, was sie selbst gelernt haben: Klei­ne Ver­än­de­run­gen in mei­nem Ver­hal­ten kön­nen zu einer Redu­zie­rung mei­nes Strom­ver­brauchs führen.

„Kos­ten­lo­se Bera­tung für ein­kom­mens­schwa­che Fami­li­en ohne ‘Kom­fort-Ver­lust´.“ Stromberater*innen ermit­teln die Strom­fres­ser und suchen gemein­sam mit den Haus­hal­ten Lösun­gen. Auch ein neu­er, strom­spa­ren­der Kühl­schrank ist nicht immer in wei­ter Fer­ne. Die Berater*innen wis­sen, wel­che loka­len Geschäf­te oder Gut­schein­sys­te­me vor­han­den sind, um neue, ener­gie­spa­ren­de, Kühl­schrän­ke zu erwerben.

Je län­ger und inten­si­ver das Netz­werk vor Ort aus­ge­baut wird, umso weni­ger kön­nen die Län­der und Ener­gie­re­fe­ra­te an der The­ma­tik vor­bei­kom­men. Man spricht von „Ener­gie­ar­mut“ und der Pro­ble­ma­tik, dass Sozi­al­ta­ri­fe nicht nach­hal­tig grei­fen, weil sie den Ver­brau­cher und sein Bewusst­sein nicht im Blick haben. Auch die Kom­mu­nen ler­nen durch den Strom­spar-Check dazu und mer­ken, dass sozi­al und gerecht prak­ti­zier­ter Kli­ma­schutz nicht nur die Mit­tel­schicht und die Eigen­heim­be­sit­zer in den Blick neh­men darf, son­dern die gesam­te Gesell­schaft inte­griert wer­den muss.

Inves­ti­ti­on in Tech­nik bedeu­tet Inves­ti­ti­on in die Men­schen. Strom­spa­ren ist nicht nur was für Rei­che! „Wenn wir in Zukunft eine noch bes­se­re Zusam­men­ar­beit mit den Sozi­al­rat­häu­sern oder den Job­cen­tern errei­chen, könn­te das Ziel, alle ein­kom­mens­schwa­chen Fami­li­en effi­zi­ent zu bera­ten, Wirk­lich­keit wer­den,“ betont Frau Spoeck. 

 

Wei­te­re Infos und Links

Zu erwer­ben sind vie­le der EiN­ZIG­WA­RE-Pro­duk­te über die Home­page www.einzigware.de

Infor­ma­tio­nen zum Strom­spar-Check gibt es über die Home­page www.stromspar-check.de

Eine Frau sitzt in einer Werkstätte und zeigt eine Upcycling-Tasche, die sie soeben genäht hat.

Interviewte

Nico­la Bus­kot­te, Refe­ren­tin für Pres­se­ar­beit, Bun­des­pro­jekt Strom­spar-Check Aktiv

Petra Spöck, Pro­jekt­lei­tung Ener­gie­spar­ser­vice, Cari­tas­ver­band Frank­furt e.V.

Clau­dia Dobrow, Arbeits­be­reichs­lei­te­rin cari­team, Cari­tas­ver­band Frank­furt e.V.  

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