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Ein Song, der Zusam­men­halt stärkt und Gemein­schaft bildet

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Deut­scher Cari­tas­ver­band e.V.
31.01.2022



Im Inter­view erzählt Jen­ni­fer Schot­ter, Mit­ar­bei­te­rin im Fach­be­reich Migra­ti­on des Cari­tas­ver­ban­des Osna­brück, war­um sie einen eige­nen Schul­song geschrie­ben hat und wie dar­aus der Song zur Cari­­tas-Kam­­pa­­g­ne wurde.

https://www.youtube.com/watch?v=C1tkOyAYAGI&t=3s

Wie sind Sie auf die Idee gekom­men, einen eige­nen Song zu schrei­ben und einzustudieren?

Die Idee, einen eige­nen Song für die Drei Reli­gio­nen Schu­le zu schrei­ben, ist bei einer Zusam­men­ar­beit zwi­schen der Cari­tas Osna­brück und der Schu­le im Rah­men der Gestal­tung von zwei Pro­jekt­wo­chen im Sep­tem­ber 2021 ent­stan­den. Die Grund­schu­le wird von Schüler_innen mit christ­li­chem, mus­li­mi­schem und jüdi­schem Glau­ben besucht.

Gemein­sam mit mei­ner Kol­le­gin Marie-Ann Mar­shall (Refe­ren­tin für Frei­wil­li­gen­en­ga­ge­ment des Diö­ze­sa­nen Ver­ban­des Osna­brück) gestal­te­te ich die Pro­jekt­wo­chen für die Schüler_innen inhalt­lich und wir hat­ten bei­de dabei den Wunsch, den Schü­le­rIn­nen auch ein musi­ka­li­sches Ange­bot zu machen. Da ich pri­vat Musi­ke­rin bin und unter ande­rem eige­ne Songs schrei­be, bot ich an, den Schüler_innen eine eige­ne Schul­hym­ne zu schrei­ben, damit sie etwas Beson­de­res in die­ser schwie­ri­gen Zeit haben.

Die Melo­die und den Refrain hat­te ich bereits auf mei­ner Rad­tour zur Arbeit im Kopf. Für mich stand sofort fest, dass sich das Mot­to unse­rer Cari­­tas-Kam­­pa­­g­ne dafür ide­al eig­nen wür­de: Das machen wir gemeinsam!

Mit der Unter­stüt­zung der Mini­mu­si­ker aus Müns­ter schrie­ben wir die Noten für den Song und pro­du­zier­ten ihn im Stu­dio. Gemein­sam mit dem Musi­ker Jakob J. Lüb­ke aus Osna­brück übten die Schüler_innen den Song sehr schnell auf dem Schul­hof ein. Auch für Lehrer_innen und Eltern wur­de er zuneh­mend zu einem rich­ti­gen Ohr­wurm. Nach einem gemein­sa­men Auf­tritt beim Zukunfts­fest des Cari­tas­ver­ban­des Osna­brück im Okto­ber 2021 beka­men die Schüler_innen den Song auf CD und als Down­­load-Link mit nach Hause.

 

Wel­che Rol­le spielt das Kam­­pa­­g­nen-Mot­­to dabei?

Durch die Arbeit im Fach­be­reich Migra­ti­on begeg­nen mir tag­täg­lich Men­schen aus unter­schied­li­chen Län­dern, mit unter­schied­li­chen Reli­gio­nen aber auch Han­di­caps oder beson­de­ren kul­tu­rel­len Bräu­chen. Eben die­se Viel­falt an Men­schen zeich­net die Drei Reli­gio­nen Schu­le aus. Hier begeg­nen sich Schüler_innen unter­schied­li­cher Kul­tu­ren mit unter­schied­li­chen Glau­bens­rich­tun­gen. Ich ste­he als Cari­tas­mit­ar­bei­te­rin aber auch als Pri­vat­per­son hin­ter den Wer­ten Viel­falt, Zusam­men­halt, Gemein­schaft und Nächs­ten­lie­be. Das Mit­ein­an­der ist nicht abhän­gig vom Glau­ben oder der Her­kunft des ande­ren. Wir ver­ste­hen uns auch ohne Spra­che, sind neu­gie­rig auf die Kul­tur des Gegen­übers und was die­se mit sich bringt. Und wir möch­ten erfah­ren, was der Mensch, dem wir begeg­nen, Beson­de­res kann oder wor­in sei­ne Inter­es­sen liegen.

Für mich per­sön­lich war es ein Wunsch, die Wer­te des Cari­tas­ver­ban­des mit den Wer­ten der beson­de­ren Grund­schu­le zu ver­ei­nen. Ich habe fest­stel­len dür­fen, dass wir gemein­sa­me Zie­le und Wer­te ver­fol­gen, wes­halb das Mot­to und der Song so gut zusam­men­pas­sen. Ins­be­son­de­re in Zei­ten der Pan­de­mie haben wir gelernt, wie wich­tig gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung und das Für­ein­an­der da sein sind. Aus die­sem Grund freut es mich sehr, dass der Song „Das machen wir gemein­sam“ nun nicht nur die Schul­hym­ne der Drei Reli­gio­nen Schu­le gewor­den ist, son­dern auch der Song zur Kam­pa­gne der Cari­tas Deutsch­land wird. Jetzt haben die Cari­­tas-Mit­ar­­bei­­ter_in­­­nen in ganz Deutsch­land die Mög­lich­keit, die­sen Song gemein­sam ein­zu­üben, sodass auch unter ihnen die Viel­falt, der Zusam­men­halt und das Mit­ein­an­der sicht­bar wird. „Das machen wir gemein­sam — DU UND ICH!“

 

Hier kön­nen Sie sich den Ohr­wurm in vol­ler Län­ge anhö­ren: https://soundcloud.com/caritas-os/dasmachenwirgemeinsam


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Das „Wir“-Gefühl lei­det – Das Wer­­te-Grun­d­­ge­rüst ist intakt 

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Mat­hil­de Lan­gen­dorf
18.01.2022



Es gibt groß­ar­ti­ge Bei­spie­le geleb­ter Soli­da­ri­tät und enga­gier­ten Zusam­men­rü­ckens. Den­noch hat der Zusam­men­halt in unse­rer Gesell­schaft unter der Coro­­na-Pan­­de­­mie gelit­ten. Das zeigt unse­re neue Umfrage.

Der Deut­sche Cari­tas­ver­band, Stif­ter von Zusam­men­halt, fei­ert 125-jäh­ri­­ges Jubi­lä­um. Gleich­zei­tig hat uns eine welt­wei­te Pan­de­mie seit zwei Jah­ren fest im Griff. Anlass, uns zu fra­gen: Was macht die Pan­de­mie mit dem Zusam­men­halt, für den wir ste­hen, in unse­rer Gesellschaft?

Dazu haben wir beim Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut for­sa eine reprä­sen­ta­ti­ve Umfra­ge in Auf­trag gege­ben. Tele­fo­nisch befragt wur­den dafür Men­schen über 14 Jah­re in Deutsch­land, zum Teil vor Weih­nach­ten und zum Teil in der ers­ten Woche des Jah­res 2022.

Nimmt der gesell­schaft­li­che Zusam­men­halt ab?

Die Ergeb­nis­se bestä­ti­gen, was vie­le von uns ahnen oder selbst füh­len: Die Pan­de­mie lässt den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt brö­ckeln: 72% emp­fin­den, dass er abge­nom­men hat. Ein Vier­tel der Befrag­ten sagt dage­gen: Der Zusam­men­halt ist stär­ker geworden.

Die Zah­len bestä­ti­gen den ambi­va­len­ten Ein­druck, den vie­le Cari­­tas-Kol­­le­­gin­­nen und ‑Kol­le­gen haben. Es gibt groß­ar­ti­ge Bei­spie­le geleb­ter Soli­da­ri­tät und enga­gier­ten Zusam­men­rü­ckens. Gleich­wohl über­wiegt das Gefühlt: das „Wir“ lei­det in der Pan­de­mie erheb­lich. Unse­re Pfle­ge­kräf­te sind aus­ge­brannt, unse­re Jugend­so­zi­al­ar­bei­te­rin­nen ver­zwei­feln ange­sichts von Jugend­li­chen mit Angst- und Ess­stö­run­gen, unse­re Bera­tungs­stel­len sind über­lau­fen, die Fra­ge nach dem rich­ti­gen Weg zur Stei­ge­rung der Impf­quo­te sät Unfrie­den und Span­nun­gen in Freun­des­krei­sen, in Familien…

Respekt, Soli­da­ri­tät, Gerech­tig­keit und Nächs­ten­lie­be sind wichtig

Wir haben auch gefragt, was es über­haupt braucht für eine Gesell­schaft, die zusam­men­hält. Und da ist die Einig­keit groß – und zwar unge­ach­tet sozio-öko­­­no­­mi­­scher Merk­ma­le wie Ein­kom­men, Bil­dung oder Alter.

Es gibt nie­man­den, der die Wer­te Respekt, Soli­da­ri­tät, Gerech­tig­keit oder Nächs­ten­lie­be (in der Umfra­ge mit „Enga­ge­ment für ande­re“ über­setzt) als unwich­tig erach­tet. Es herrscht offen­sicht­lich ein weit ver­brei­te­ter Grund­kon­sens über die Wer­te, die unser Zusam­men­le­ben als Gesell­schaft fördern. 

Fra­gen über Wer­te beant­wor­ten, ist leicht. Sie zu leben, noch ungleich schwe­rer. Ist die Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Wer­ten, die das Grund­ge­rüst für die Cari­tas bil­den, ein Lip­pen­be­kennt­nis? Schließ­lich erle­ben wir ja Eini­ges, das nahe­legt, dass wir es alle nicht so eng sehen mit Respekt, Wert­schät­zung und Gerech­tig­keit – neh­men wir bei­spiels­wei­se die Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der wir im Inter­net bestel­len, was uns ein unter­be­zahl­ter Paket­bo­te vor die Tür lie­fert. Und das ist nur eine Unge­rech­tig­keit von vie­len.
die unser Zusam­men­le­ben als Gesell­schaft fördern.

Wer oder was beför­dert Zusam­men­halt, gera­de in der Pan­de­mie? Das sagen die von uns befrag­ten Men­schen dazu:

Ergeb­nis­se, die uns einer­seits als Anbie­ter ehren­amt­li­chen Enga­ge­ments und sozia­ler Hil­fen (den bei­den „Gewin­nern“) Freu­de, beim nähe­ren Hin­schau­en aber auch Sor­ge bereiten. 

Poli­tik wird von jun­gen Men­schen kaum als soli­da­ri­täts­stif­tend wahrgenommen

Bei jun­gen Men­schen zwi­schen 14 und 29 Jah­ren punk­ten zwar zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen über­durch­schnitt­lich, lan­det die Poli­tik aber als Soli­da­ri­täts­stif­ter kom­plett abge­schla­gen auf dem letz­ten Platz. Sie trägt, laut der jun­gen Men­schen, in die­ser Pan­de­mie weni­ger als sozia­le Netz­wer­ke zum gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt bei. Nur 17 Pro­zen­te der jun­gen Befrag­ten beschei­ni­gen ihr einen posi­ti­ven Bei­trag zum Zusammenhalt.

Die Poli­tik­ver­dros­sen­heit bei jun­gen Men­schen ist augen­fäl­lig. Poli­tik hat bei ihnen in der Pan­de­mie in hohem Maße Ver­trau­ens­ka­pi­tal ver­spielt. Jun­ge Men­schen füh­len sich durch die Coro­­na-Maß­­nah­­men mit ihren Bedürf­nis­sen nicht gese­hen oder zurück­ge­setzt. Zudem ernüch­tert, dass weni­ger als die Hälf­te aller Befrag­ten in Bil­dungs­ein­rich­tun­gen wich­ti­ge Stif­ter von Zusam­men­halt sehen – wobei es hier eher die Älte­ren sind, die skep­tisch sind. 

Aber nicht allein Wohl­fahrts­ver­bän­de kön­nen Stif­ter von Zusam­men­halt sein. Die­se Auf­ga­be kön­nen sie nur im Zusam­men­spiel mit der Poli­tik, mit Bil­­dungs- und Kul­tur­ein­rich­tun­gen erfül­len. Gemein­sam ist man wirk­sa­mer — das ist der Grund­ge­dan­ke, der bei der Grün­dung der Cari­tas vor 125 Jah­ren Pate stand. Und des­halb kann es uns nicht egal sein, wenn die Poli­tik an Glaub­wür­dig­keit ver­liert, wenn die Men­schen Schu­len und Kitas nicht (mehr) als Orte des Zusam­men­halts erleben.

In unse­rem Jubi­lä­ums­jahr bekräf­ti­gen wir das Gemein­sa­me – so ist unser Slo­gan #Das­Ma­chen­Wir­Ge­mein­sam zu ver­ste­hen: Ehren­amt und Haupt­amt; Jün­ge­re und Älte­re; Armuts­be­trof­fe­ne als Exper­tin­nen und Exper­ten in eige­ner Sache und Pro­fis der sozia­len Arbeit; Chris­ten und Mus­li­me; From­me und Zwei­feln­de; Kran­ken­häu­ser und Sozi­al­sta­tio­nen; Wohl­fahrts­ver­bän­de und Kom­mu­nen. Für eine Gesell­schaft, die zusammenhält.


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GEWALT UND GERECHTIGKEIT

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Car­men Gräf
18.01.2022



Gewalt­er­fah­run­gen las­sen sich nicht wie­der gut machen. Den­noch ver­sucht Gabrie­le Kriegs mit ihrer Arbeit im Frau­en­haus Gerech­tig­keit wie­der­her­zu­stel­len – in dem sie Frau­en vor Gewalt beschützt, ihnen zu ihrem Recht ver­hilft und sie dar­in unter­stützt, sich ein eige­nes, gewalt­frei­es Leben aufzubauen.

Gabrie­le Kriegs kämpft mit vol­lem Her­zen für die Rech­te von Frauen.

Wer im Frau­en­haus lan­det, hat in der Regel eine lan­ge Lei­dens­ge­schich­te hin­ter sich. Vie­le Frau­en wer­den Jah­re oder Jahr­zehn­te lang von ihren Män­nern gede­mü­tigt und geschla­gen. Die Gewalt­spu­ren sieht man ihnen in der Regel nicht sofort an. “Die wenigs­ten Opfer haben blaue Fle­cken im Gesicht”, erzählt Gabrie­le Kriegs. Die Frau­en­haus-Lei­­te­rin hat die ange­neh­me Aus­strah­lung eines Men­schen, der auf­geht, in dem, was er tut. Eine Power-Frau mit wachem Blick und anste­cken­dem Lachen. Sie wirkt durch­set­zungs­stark, spricht schnell mit Ber­li­ner Einschlag.

Gabrie­le Kriegs lei­tet seit fast 30 Jah­ren ein Frau­en­haus in Berlin.
© Alle Fotos: Wal­ter Wetzler

Lie­be? Oder finan­zi­el­le Abhängigkeit?

“Män­ner, die öfter zuschla­gen, wis­sen ganz genau wohin”. War­um hal­ten Frau­en das aus? Gabrie­le Kriegs hat dafür kei­ne end­gül­ti­ge Erklä­rung: “Lie­be? Oft ist es wohl vor allem finan­zi­el­le Abhän­gig­keit.” Das wüss­ten die Män­ner natür­lich und trau­ten den Frau­en nicht zu, sich aus der Bezie­hung zu lösen oder gar den Gewalt­tä­ter anzu­zei­gen. Eine Unge­rech­tig­keit, gewiss, aber dann erzählt sie, dass sie immer wie­der Frau­en erlebt, die rasch Kon­se­quen­zen zie­hen: “Wenn ein Mann sie bedroht, die Tür zuknallt und eine Vase hin­ter­her­wirft, sagen die ‘mit mir nicht’ und sind weg.”

Seit fast 30 Jah­ren lei­tet Gabrie­le Kriegs das Frau­en­haus der Cari­tas in der west­li­chen Mit­te Ber­lins. Seit­dem kämpft sie für den Schutz von Frau­en und Kin­dern, für ihren finan­zi­el­len Unter­halt und ihre Unab­hän­gig­keit. 18 Frau­en sind der­zeit hier unter­ge­bracht, zwi­schen 20 und 40 Jah­re alt, die meis­ten mit Kin­dern und mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. “Ich begeg­ne hier viel Unrecht”, sagt sie “und ver­su­che ein Stück weit Gerech­tig­keit zu schaffen.”

https://www.youtube.com/watch?v=sz21ogguYzYhttps://www.youtube.com/watch?v=sz21ogguYzY

Das Frau­en­haus nimmt Frau­en mit Gewalt­er­fah­rung auf

Plötz­lich muss es schnell gehen. Eine Frau ruft an und bekommt einen Treff­punkt genannt. Dort­hin muss sie allein kom­men. “Die ein­zi­ge Beglei­tung, die wir akzep­tie­ren, ist Poli­zei in Uni­form”, sagt Gabrie­le Kriegs.

Das Haus nimmt Frau­en ab 18 auf, die Gewalt erfah­ren haben oder von Gewalt bedroht sind. Wenn eine Kli­en­tin zu nah am Haus wohnt, wird sie an ein ande­res Frau­en­haus ver­mit­telt. Es wäre zu ris­kant, dass ihr der gewalt­tä­ti­ge Part­ner in der Nach­bar­schaft über den Weg läuft. “Die Adres­se bleibt geheim — das ist die obers­te Regel im Haus,“ sagt die Cari­­tas-Frau. Vom ers­ten Ein­druck wirk­ten die meis­ten Frau­en sta­bil: “Die waren oft schon beim Jugend­amt oder bei der Poli­zei, haben also den ers­ten Schritt gewagt. Vie­le haben schon län­ger mit dem Gedan­ken gespielt, sich zu trennen.”

Die 20 Zim­mer des Frau­en­hau­ses wer­den der­zeit von 18 Frau­en und ihren Kin­dern bewohnt.

Die Lei­te­rin und ihre Mit­ar­bei­ten­den las­sen die Frau­en erst ein­mal zur Ruhe kom­men und bie­ten Gesprä­che an. “Vie­le atmen auf, wenn sie mer­ken, dass sie hier sicher sind.” sagt die Lei­te­rin des Hauses.

Finan­zen, Sor­ge­recht, Umgang mit Gewalt: vie­le juris­ti­sche Fra­gen müs­sen geklärt werden

Frau­en müss­ten ihre Rech­te ken­nen, erklärt Gabrie­le Kriegs. Sie müss­ten zum Bei­spiel wis­sen, dass sie Anspruch haben auf finan­zi­el­le Unter­stüt­zung und auf juris­ti­sche Bera­tung. Dass das Gewalt­schutz­ge­setz für sie greift und dass sie Anträ­ge ans Fami­li­en­ge­richt stel­len kön­nen, wenn es zum Bei­spiel ums Sor­ge­recht für die Kin­der geht. Im Frau­en­haus gibt es für die Kin­der ein kos­ten­lo­ses Mit­tag­essen und kos­ten­lo­se Betreu­ung. Für ihre Mahl­zei­ten und ihren Lebens­un­ter­halt müs­sen die Frau­en selbst aufkommen.

“Vie­le atmen auf, wenn sie mer­ken, dass sie hier sicher sind.” – Gabrie­le Kriegs, Cari­tas Berlin

Des­halb küm­mert sich die Cari­­tas-Frau so schnell wie mög­lich um die finan­zi­el­le Absi­che­rung ihrer Kli­en­tin­nen: “Wir haben eine super Koope­ra­ti­on mit dem Job­cen­ter, das läuft über ein form­lo­ses Fax, um die Ansprü­che zu sichern.” Vie­le Fami­li­en, aus denen die Frau­en kom­men, leben von Hartz-IV. Sie wer­den von den Behör­den als Bedarfs­ge­mein­schaft mit ihrem Ex-Par­t­­ner ein­ge­stuft. Das Geld, das sie vom Staat bekom­men, wird auf­ge­teilt zwi­schen ihnen, den Kin­dern und dem Ex-Partner.

Zu viel Gewalt – zu wenig Plät­ze in Frauenhäusern

Vier bis sechs Mona­te sind die meis­ten Frau­en hier. “Es pas­siert immer wie­der, dass eine Frau ihrem neu­en Freund ver­rät, wo sie wohnt oder sich gar hier abho­len lässt. Dann muss sie unser Haus ver­las­sen,” betont Gabrie­le Kriegs. Denn es gilt: Sicher­heit für alle geht vor der Sicher­heit der ein­zel­nen Frau. Das sei für sie und ihre Mit­ar­bei­te­rin­nen schwer: “Gera­de wenn alles auf einem guten Weg war oder wenn die Frau drei Kin­der hat, die gera­de umge­schult wurden.”

Hat die Coro­­na-Pan­­de­­mie die Situa­ti­on ver­schlim­mert? Gibt es mehr Opfer, die vor häus­li­cher Gewalt hier­her flüch­ten? Die Cari­­tas-Frau kann das nicht bestä­ti­gen: “Es ist so schlimm wie es immer war. Es gibt nicht genug Plät­ze in Frauenhäusern.”

Im Frau­en­haus nimmt Gabi­re­le Kriegs Frau­en ab 18 zusam­men mit ihren Kin­dern auf.

Was sie jedoch über Jah­re hin­weg beob­ach­tet: Das Frau­en­haus spie­gelt das, was in der Stadt los ist. “Wäh­rend des Bür­ger­kriegs in Jugo­sla­wi­en kamen vie­le Geflüch­te­te hier­her, die häus­li­che Gewalt nahm zu. Das pas­sier­te auch in der Kri­se 2015. In den über­füll­ten Unter­künf­ten der Geflüch­te­ten stieg die Gewalt gegen Frau­en an.”

Das Frau­en­haus als Spie­gel der Gesellschaft

Doch gera­de geflüch­te­te Frau­en hät­ten einen gro­ßen Drang, sich und ihren Kin­dern ein bes­se­res Leben zu ermög­li­chen. Gabrie­le Kriegs erzählt von einer Leh­re­rin aus Syri­en, die an der Uni­ver­si­tät Pots­dam ins Refu­gee Tea­chers Pro­gram auf­ge­nom­men wur­de — eine Ergän­zungs­qua­li­fi­ka­ti­on für Päd­ago­gen, die nicht in Deutsch­land aus­ge­bil­det wur­den. “Die Frau unter­rich­tet heu­te an einer Ber­li­ner Schu­le, ihre Kin­der sind Klas­sen­bes­te.” Es schwingt merk­lich Stolz mit, wenn Gabrie­le Kriegs das erzählt. Auch das ist für sie Gerech­tig­keit — wenn Frau­en es schaf­fen, sich aus einer schein­bar aus­weg­lo­sen Situa­ti­on zu lösen und sich ein neu­es Leben auf­bau­en: “Ich fin­de es beein­dru­ckend, wie stark die Frau­en sind!”


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NÄCHS­TEN­LIE­BE MIT COOLNESSFAKTOR

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Car­men Gräf
18.01.2022



Life­style, Kon­sum und sozia­les Gewis­sen: Wie passt das zusam­men? Ele­na Weber von young­ca­ri­tas in Ber­lin macht es vor. Mit Nadel und Faden haucht sie alten Klei­dungs­stü­cken neu­es Leben ein und schafft dabei einen Mehr­wert für vie­le sozia­le Pro­jek­te vor Ort. 

Ele­na Weber sieht Nächs­ten­lie­be als wich­ti­ges Zei­chen sozia­ler Verantwortung.

“Ich war mal ein Rock, jetzt bin ich ein Hut”, steht auf einem Zet­tel an einem kes­sen weiß-schwar­­zen Hüt­chen, das an ein Dal­­ma­­ti­­ner-Fell erin­nert. Im youn­g­­ca­ri­­tas-Laden “cari­doo” bekom­men Klei­dungs­stü­cke und Stoff­res­te eine zwei­te Chan­ce. Der Name des Upcy­cling-Pro­­jekts „ver­giss­mein­nicht“ will ver­deut­li­chen, dass man Din­ge nicht links lie­gen las­sen soll, nur weil sie einen klei­nen Schön­heits­feh­ler haben, etwa ein klei­nes Loch oder einen losen Saum. “Die Sachen sol­len nicht ver­ges­sen und ver­schrot­tet wer­den — im schlimms­ten Fall in irgend­wel­chen Müll­ver­bren­nungs­an­la­gen”, sagt Ele­na Weber.

Ele­na Weber arbei­tet ehren­amt­lich für das Upcy­cling-Pro­­jekt “ver­giss­mein­nicht” in Ber­lin.
© Alle Fotos: Wal­ter Wetzler

Die Stu­den­tin ist 23 Jah­re alt und enga­giert sich ehren­amt­lich bei “ver­giss­mein­nicht.”  Sie betreut Näh­grup­pen, in denen neue Sachen ent­ste­hen: Taschen, Kis­sen, Patch­work­de­cken, Kuschel­tie­re, Schür­zen oder ein „Uten­si­lo“. Das besteht aus lau­ter zusam­men­ge­näh­ten Jeans-Hosen­­ta­­schen und bie­tet Platz für Büro­krims­krams oder Kosmetikartikel.

Uten­si­los, Rucks­ak­kos und ande­re Taschen – alles Upcycling

“Ein coo­les Teil” nennt Ele­na Weber ein Täsch­chen mit Jeans­strei­fen, die auf einen bun­ten Stoff auf­ge­näht wur­den. Die Sachen sehen gut aus und wür­den sich in jedem Ber­li­ner Life­­style-Laden ver­kau­fen. Die Ren­ner waren bis­her die “Rucks­ak­kos”: Spor­truck­sä­cke aus alten Sak­kos. “Der­zeit sind gera­de Bauch­ta­schen und Kos­me­tik­ta­schen ange­sagt”, erzählt Ele­na Weber.

Der Ver­kaufs­er­lös geht an sozia­le Pro­jekt der Cari­tas. Für Ele­na Weber ein sehr sinn­vol­ler Akt prak­ti­zier­ter Nächs­ten­lie­be. “Das ist für mich ein uni­ver­sel­ler Begriff, der nicht unbe­dingt direkt etwas mit Kir­che zu tun hat.” Nächs­ten­lie­be sei für sie wich­tig als Zei­chen sozia­ler Ver­ant­wor­tung. “Ich bin sehr pri­vi­le­giert auf­ge­wach­sen und fin­de es toll, davon etwas an die Gesell­schaft zurück­ge­ben zu kön­nen”, sagt die Stu­den­tin. “Mit mei­ner krea­ti­ven Arbeit unter­stüt­ze ich Men­schen, die weni­ger pri­vi­le­giert sind als ich.”

https://www.youtube.com/watch?v=2DJ1JPV4Bx0https://www.youtube.com/watch?v=2DJ1JPV4Bx0

Mate­ri­al und Werk­zeu­ge sind gespendet 

Die Kund­schaft im Ber­li­ner Bezirk Prenz­lau­er Berg weiß Selbst­ge­mach­tes und nach­hal­tig Her­ge­stell­tes zu schät­zen. Denn Upcy­cling und Do-it-your­s­elf wer­den immer belieb­ter, nicht nur hier im hip­pen Stadt­teil, in dem der Laden „cari­doo“ liegt. “Wenn man Din­ge selbst macht, steckt man Mühe und Lie­be rein und erin­nert sich an jeden Schritt im Her­stel­lungs­pro­zess”, betont Ele­na Weber. “So wird ein Pro­dukt etwas ganz Beson­de­res. Wenn man auch noch alten Sachen ein neu­es Leben geben kann, ist das dop­pelt toll.”

Auf die­sen Pro­zess war­ten in den Rega­len noch vie­le Stoff­res­te, Jackets und Knöp­fe. Es sind lau­ter Spen­den, die zum Teil aus Klei­der­kam­mern stam­men. “Sogar unse­re Näh­ma­schi­nen wur­den gespen­det”, erzählt Ele­na Weber. “Des­halb haben man­che auch leich­te Macken, aber damit kom­men wir klar.”

“Nächs­ten­lie­be ist für mich ein uni­ver­sel­ler Begriff, der nicht unbe­dingt direkt etwas mit Kir­che zu tun hat. Ich bin sehr pri­vi­le­giert auf­ge­wach­sen und fin­de es toll, davon etwas an die Gesell­schaft zurück­ge­ben zu kön­nen.” – Ele­na Weber, young­ca­ri­tas Berlin

Ele­na Weber hat das Nähen von ihrer Oma gelernt

Schon mit neun Jah­ren ließ sie sich von ihrer Groß­mutter das Nähen bei­brin­gen. “Und es macht mir immer noch gro­ßen Spaß”, sagt sie. “Am tolls­ten fin­de ich bis­her mei­ne Bauch­ta­sche, an der ich gera­de arbei­te. Außen hat sie einen Sak­­ko-Stoff, innen einen glit­zern­den, gla­mou­rö­sen schwar­zen Stoff sowie eine Han­dy­ta­sche aus Sakko-Stoff.”

Im Pro­jekt “ver­giss­mein­nicht” ver­ar­bei­tet Ele­na Weber vor allem gespen­de­te Mate­ria­li­en. Auch das Werk­zeug besteht groß­teils aus Spenden.

Dann holt sie eine recht­ecki­ge Kos­me­tik­ta­sche her­vor, die unver­kenn­bar aus Sak­­ko-Stoff ent­stan­den ist. “Die­se Taschen haben wir für ‘Evas Obdach’ gemacht.” Das ist eine Unter­kunft für Not­über­nach­tung des Sozi­al­diens­tes Katho­li­scher Frau­en in Ber­lin. “Das war rich­tig cool”, erzählt sie, “wir haben den Fashion Revo­lu­ti­on Day dafür aus­ge­wählt.” Der wird welt­weit jedes Jahr am 24. April began­gen. An die­sem Tag stürz­te 2013 die Tex­til­fa­brik Rana Pla­za in Ban­gla­desch ein und töte­te 1135 Men­schen. Der Fashion Revo­lu­ti­on Day soll dar­an erin­nern, unse­ren Mode­kon­sum zu hinterfragen.

Fashion Revo­lu­ti­on Day erin­nert an Unglück in einer Textilfabrik

Auch die­ses Erin­nern ist für Ele­na Weber ein unbe­ding­ter Akt der Nächs­ten­lie­be. “Wir haben uns dafür online getrof­fen, da es mit­ten in der Pan­de­mie war.” So konn­ten auch Nähe­rin­nen — die aller­meis­ten sind Frau­en — aus Mün­chen und Frank­furt dabei sein. Das Upcy­cling-Team aus Ber­lin fer­tig­te die Schnit­te an, ver­schick­te die­se und erhielt von den Teil­neh­me­rin­nen die fer­ti­gen Kos­me­tik­ta­schen. “Die kamen super an bei den Frau­en von Evas Obdach”, berich­tet Ele­na Weber, “auch weil jede Tasche ein Uni­kat ist.”

Mit ihrem Enga­ge­ment bei young­ca­ri­tas zeigt Ele­na Weber, was Nächs­ten­lie­be bedeu­ten kann.

Sie wer­den ver­mut­lich nicht mit Lip­pen­stift und Make-Up, son­dern mit Deos, Dusch­gels und Hand­cremes befüllt. Wich­tig sei vor allem, dass die Taschen einen Hen­kel zum Auf­hän­gen hät­ten. Prak­tisch für die obdach­lo­sen Frau­en, die sie dann auch in den ver­schie­de­nen Dusch­mo­bi­len der Stadt oder in öffent­li­chen Toi­let­ten benut­zen könn­ten. Es wird ver­mut­lich nicht das letz­te Pro­jekt für Evas Obdach gewe­sen sein. Die Arbeit der Upcy­cling-Frau­en stößt dort auf gro­ße Resonanz.

Jede Upcy­cling-Tasche ist ein Unikat

Wenn Ele­na Weber das erzählt, strahlt sie übers gan­ze Gesicht. Nächs­ten­lie­be hat für sie und ihr Upcy­cling-Team ein ganz kon­kre­tes Ziel: “Wir ver­su­chen die Welt ein Stück weit bes­ser zu machen.”

Die Upcy­cling-Pro­­duk­­te von “ver­giss­mein­nicht” wer­den im Laden “Cari­doo” der Cari­tas Ber­lin ver­kauft. Die Erlö­se kom­men aus­nahms­los sozia­len Pro­je­ken zu Gute. 

 

Lust, bei young­ca­ri­tas in Ber­lin oder beim Upcy­cling-Pro­­jekt “ver­giss­mein­nicht” selbst mit­zu­ma­chen? Mel­den Sie sich ein­fach per Mail an youngcaritas@caritas-berlin.de.

 


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2022 IST JUBILÄUMSJAHR!

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Deut­scher Cari­tas­ver­band
03.01.2022



Die Cari­tas besteht seit 125 Jah­ren. Seit sei­ner Grün­dung hat der Wohl­fahrts­ver­band immer wie­der pas­sen­de Ant­wor­ten auf neue sozia­le Not­la­gen ent­wi­ckelt, sagt Cari­­tas-Prä­­si­­den­­tin Eva Maria Welskop-Deffaa.

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Wir fei­ern Geburts­tag. Das ist Grund genug, zurück­zu­bli­cken auf 125 Jah­re Cari­­tas-Geschich­­te, aber auch kri­tisch zu Fra­gen, für wel­che Wer­te die Cari­tas jetzt und in Zukunft ste­hen kann. 

https://www.youtube.com/watch?v=aepBMFmeT-Ihttps://www.youtube.com/watch?v=aepBMFmeT‑I

Mehr Jubi­lä­ums-Inhal­­te dem­nächst online

Zahl­rei­che Inhal­te rund um das 125-Jäh­ri­­ge Cari­­tas-Jubi­lä­um wer­den wir dem­nächst ver­öf­fent­li­chen. Hier auf der Kam­­pa­­g­nen-Web­­si­te www.dasmachenwirgemeinsam.de und auf www.caritas.de/125-jahre.

Zukunft den­ken, Zusam­men­halt leben.
#Das­Ma­chen­Wir­Ge­mein­sam


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