SHELTERSUITS FÜR OBDACHLOSE – EINE IDEE, DIE LEBEN RETTEN KANN
Alex Eichner 19.02.2021
Wenn im Winter die Temperaturen in den Keller gehen, kämpfen viele Menschen, die kein festes Dach über dem Kopf haben ums Überleben. Eine neue Idee aus Holland könnte ihnen helfen.
Klirrende Kälte. Eisiger Wind im Gesicht. Die Hände lassen sich kaum mehr bewegen. Winter in Berlin mit Schnee und zweistelligen Minusgraden. Wer kann, wärmt sich schnell in der heimischen Wohnung auf – bei einer heißen Tasse Tee und schaut dem Schneetreiben draußen zu. Für diejenige, die kein Zuhause haben ist jetzt die härteste Zeit.
Menschen, die auf der Straße leben — die aus den verschiedensten Gründen in keiner Notübernachtung Schutz finden. Corona hat deren Lage noch weiter verschlechtert. Auch tagsüber sind die Plätze in den Wärmestuben knapp geworden. Wenn überhaupt welche offen sind. Abstand und Hygieneregeln zwingen viele, ständig im Freien zu bleiben. Da kam eine Idee aus Holland gerade recht. Eine Idee, die Leben retten kann.
Eine zweite Haut für das Leben auf der Straße
Der junge Modedesigner Bas Timmer hatte erfahren, dass der obdachlose Vater eines Freundes an Unterkühlung starb. Da beschloss er, künftig keine teure Mode mehr zu entwerfen. Er entwickelte eine zweite Haut für das Leben auf der Straße – einen Schutzanzug für Obdachlose. Der Sheltersuit ist eine multifunktionale, wind- und wasserdichte Jacke mit großer Kapuze und integriertem Schal, die zu einem Schlafsack umgewandelt werden kann. Das Innenfutter aus recycelten Schlafsäcken, die Außenhaut aus gebrauchten Zelten. Ökologisch korrekt und überaus praktisch. Der Sheltersuit soll wärmen und Schutz vor dem Erfrieren bieten – aber auch eine gewisse Würde verleihen. „Designed für Dignity“ wie sie Sheltersuit Foundation sagt. Diese wurde von Bas Timmer gegründet und hat inzwischen in den Niederlanden schon 12.500 Sheltersuits gefertigt und verteilt. Das Atelier der Sheltersuit Foundation liegt in Enschede. Hier arbeiten, neben 27 Ehrenamtlichen auch 14 Geflüchtete. Sie lernen nähen, bekommen Sprachkurse und werden für ihre Arbeit bezahlt. Direkt um die Ecke, auf der deutschen Seite, ist Kristina Edeler aufgewachsen. Sie arbeitet in der Caritas-Ambulanz am Bahnhof Zoo, dem ältesten medizinischen Hilfsprojekt für Wohnungslose in Berlin. Edeler hörte von den Sheltersuits und nahm kurzentschlossen den Telefonhörer in die Hand. Sie fragte einfach mal an, ob Timmer und sein Team sich vorstellen können, die Schutzanzüge auch in Berlin zu verteilen. Sie konnten. In kürzester Zeit wurde alles Notwendige auf die Beine gestellt – und dann fing es auch schon an zu schneien.
„In den Niederlanden wurden schon mehr als 12.500 Sheltersuits gefertigt – 80 davon werden von der Caritas an Berliner Obdachlose verteilt “
Meine Aufgabe war es, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt zu koordinieren, denn die gelieferten Sheltersuits – 80 an der Zahl – kosten natürlich auch etwas. Was an die obdachlosen Menschen umsonst verteilt wird muss schließlich bezahlt werden. 300 Euro pro Sheltersuit in der Herstellung mit allem Drum und Dran – inklusive Löhne und Transport sollten möglichst über Spenden finanziert werden. Dafür braucht es Aufmerksamkeit. Der Gedanke ging auf – das Medieninteresse war immens. Die Verteilung lief über das Caritas-Arztmobil. Die Kolleginnen*innen kennen die Plätze, an denen sich Obdachlose aufhalten und wissen wer Hilfe braucht. Kristina ließ es sich nicht nehmen, tatkräftig bei der Verteilung zu helfen. Bei Eiseskälte stapfte sie mit Ihren Kollegen*innen durch Nässe und Schnee und suchte nach Menschen, für die der Sheltersuit gemacht wurde. Womit Kristina nicht so wirklich gerechnet hat war, dass sie plötzlich zahlreichen Presseleuten über die Aktion berichten sollte. Kameras und Fernsehteams gehörten zuvor nicht unbedingt zu ihrem Berufsalltag. Also versuchte ich, ihr zu Seite zu stehen und begleitete sie immer mal wieder beim Verteilen der Sheltersuits wenn dabei Drehs anstanden. „Für mich ist das Besondere der Aktion, dass es hierbei nicht nur um das reine Verteilen der Sheltersuits geht, sondern auch um die Menschen und ihre Geschichte. Wir haben Leute getroffen, die früher gute Jobs hatten und dann auf der Straße gelandet sind oder bei denen die Trennung von ihrer Frau dafür gesorgt hat, dass sie den Halt verloren haben. Auch Geflüchtete aus Syrien waren dabei, die in Deutschland auf einen Neuanfang hoffen. Die 80 warmen Sheltersuits stehen für mich auch für 80 unterschiedliche Schicksale“, erzählt Kristina von ihren Eindrücken. Auch mich hat manch eine Begegnung nicht kalt gelassen. Eine einschneidende Erfahrung, die auch dazu geführt hat, dass der Respekt für meine Caritas-Kollegen*innen in der Wohnungslosenhilfe enorm gewachsen ist.
Suche nach verstecken Schlafplätzen
In den vergangen zwei Wochen war Kristina mit den Teams aus der Caritas-Ambulanz am Bahnhof Zoo und des Caritas-Arztmobils fast ununterbrochen unterwegs. Sie hielten Ausschau nach versteckten Schlafplätzen, gingen Insidertipps nach und sprachen Menschen auf der Straße an, um die schützende Haut an den Mann oder die Frau zu bringen. Ich war begeistert vom Enthusiasmus und Engagement der Kollegen*innen. Keine Strecke war ihnen zu weit, keine Hürde zu hoch. Es war eiskalt, oft dunkel, glatt und verschneit aber die Sheltersuits sollten ja genau deshalb dorthin, wo sie jetzt dringend gebraucht werden. Die Temperaturen in Berlin sanken in diesen Tagen immer weit unter den Gefrierpunkt. Es hätte kaum einen besseren Zeitpunkt für die Aktion geben können als die ersten beiden Februar-Wochen in denen ein Winter Einzug hielt, wie wir ihn schon viele Jahre nicht mehr erlebt haben. Auch wenn das allererste Ziel der Caritas ist, die Leute in Wohnungen unterzubringen gibt es Menschen, die auf der Straße leben. Genau für die ist so ein Sheltersuit vielleicht die Rettung.
2 Antworten auf „Blog: Beitrag: Sheltersuits Caritas Berlin“
Tolle Aktion und super Beitrag!
Vielen Dank, das freut uns.
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2 Antworten auf „Blog: Beitrag: Sheltersuits Caritas Berlin“
Tolle Aktion und super Beitrag!
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