Harry Landauer
26.10.2022
Der Further Drachenstich ist das älteste Volksschauspiel Deutschlands. Die Festspielsaison ist alljährlich im August, in diesem Jahr aber wurde der Drache bereits im Juli geweckt – im Dienst der Caritas. Sein Job: „Anfeuern“ der Läuferinnen und Läufer beim Caritas Jubiläumslauf vom tschechischen Pilsen nach Regensburg. In der Grenzstadt Furth im Wald, etwa auf halber Strecke, erwartete der Drache das Laufteam.
Aber nicht der Feuerdrache und das Laufen, sondern auch die Hitze brachte manche ins Schwitzen: Mit dem Jubiläumslauf startete der Caritas-Diözesanverband Regensburg bei tropischen Temperaturen in ein zweitägiges Jubiläumsfest.
Das Jubiläum 100 Jahre Caritasverband Regensburg sollte im Sommer rund um das Gründungsdatum 26. Juli gefeiert werden. Aus der Idee eines Spendenlaufs zum Jubiläum wurde das Projekt entwickelt, von Freitag, 22. Juli, bis Samstag, 23. Juli 2022, die 180 Kilometer vom Platz der Republik in Pilsen (mit der wunderschönen gotischen St. Bartholomäus-Kathedrale) laufend zu bewältigen, um am Nachmittag des 23. Juli auf dem Alten Kornmarkt bei der berühmten Alten Kapelle in Regensburg anzukommen und dort das Festwochenende zu eröffnen.
Hintergrund der grenzüberschreitenden Begegnung von Pilsen und Regensburg ist eine langjährige Verbundenheit der Caritasverbände. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Caritas im Nachbarland mit tatkräftiger Hilfe aus Regensburg aufgebaut. Bis heute pflegen die beiden Verbände eine freundschaftliche Verbindung. Der „Verbindungslauf“ setzte dafür ein Zeichen.
Rund 50 Läufer und Läuferinnen eines internationalen Teams kamen pünktlich und sicher ins Ziel. Mit dabei: Die amtierende deutsche Marathon-Meisterin Corinna Harrer.
Das Bistum Regensburg ist flächenmäßig das größte Bistum Bayerns, entsprechend sind die über 900 Dienste und Einrichtungen der Caritas weit gestreut. Viele Tausend Menschen arbeiten hier haupt- und ehrenamtlich für die Caritas, untereinander kennt man sich kaum. Aus diesem Grund sollte das Jubiläumsjahr und insbesondere das Jubiläumsfest, das schließlich zwei Tage lang mit einem bunten Bühnenprogramm mitten in der Regensburger Altstadt gefeiert wurde, auch ein Fest der Begegnung werden.
Blues und Blasmusik, DJ und Gospelchor – die Bandbreite des musikalischen Angebots sorgte für ein kurzweiliges Programm.
„Feiern wir heute, arbeiten wir morgen und versuchen wir weiter gemeinsam, die Welt ein bisschen besser zu machen.“
Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen
Caritasverbandes in Regensburg
Offizieller Festtag war Sonntag, der 24. Juli 2022, der mit einem Pontifikalamt im voll besetzten Regensburger Dom begann. „Die Kirche ist nicht sie selbst, wenn sie nicht caritas ist und wenn sie nicht Menschen erweckt, Diener der caritas zu sein“, sagte Bischof Rudolf Voderholzer in seiner Predigt.
Das Motto des Caritasverbands im Jubiläumsjahr lautet: MitMenschlichkeit leben. “Das Programm der Caritas ist ein Versprechen, das wir jeden Tag aufs Neue ausgeben“, so Diözesan-Caritasdirektor Michael Weißmann beim anschließenden Festakt. „Jeder Mensch ist immer Mit-Mensch, dem wir mit Menschlichkeit begegnen wollen und so Mitmenschlichkeit leben.“
Auftakt für das Jubiläumsjahr in Regensburg war der 19. November, Tag der heiligen Elisabeth, Patronin der Caritas in der päpstlichen Basilika St. Emmeram. Diese befindet sich in unmittelbarer Nähe der Fürstliche Notstandsküche, wo die Caritas alltäglich Mahlzeiten für Bedürftige in Regensburg organisiert. Der Ort verweist auf die Wurzeln der christlichen Caritas ebenso wie auf die heute lebendige Caritasarbeit und gleichzeitig auf die Notwendigkeit organisierter Hilfe, wie sie schon bei der Verbandsgründung im Jahr 1922 bestand.
Im damaligen Nachkriegs-Deutschland herrschten Armut, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen. Die Menschen im Land, auch in Regensburg und der Region, waren versehrt an Leib und Seele. Neben konkreten Hilfen für Bedürftige, Hilfen für Strafgefangen und Strafentlassene war die „Trinkerfürsorge in Regensburg“ eine wichtige Anlaufstelle für Notleidende.
Mit der Gründungsversammlung am 26. Juli 1922 begann der kontinuierliche Aufbau karitativer Angebote und Einrichtungen im Bistum Regensburg und der dafür notwendigen Strukturen. Heute ist der Caritasverband Regensburg Spitzenverband für rund 900 Dienste und Einrichtungen darunter rund 60 ambulante Pflegedienste und 50 Einrichtungen der Altenhilfe. Der Caritasverband ist Träger von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, zweier Pflegefachschulen, einem Pflegecampus sowie zwei weiteren Fachakademien für Sozialpädagogik. Im Bereich der Kindertagesstätten ist der Verband für die fachliche Betreuung von rund 400 Kindertageseinrichtungen zuständig und betreut rund 160 Kindertagesstätten in Geschäftsführung.
Helfen macht nicht ärmer lautete der Titel des Festvortrags, in dem Prof. Manfred Eder, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte an der Universität Osnabrück, vor den Gästen der Feierstunde am 24. Juli die Geschichte des Caritasverbands Regensburg entfaltete. Bei seinem „Streifzug durch die Verbandsgeschichte“ stellte er eine Stärke der organisierten Caritas heraus. Sie war und ist immer in der Lage, auf die Herausforderungen der Zeit angemessen zu reagieren. Mit Blick auf die Herausforderungen unserer Tage zeigt sich die Caritas in ganz Deutschland als effektiv und handlungsfähig. Aber, so Eder, zu fragen sei, wie die Fundamente dieser Arbeit sich entwickeln werden.
Trotz beeindruckender und auf die Bedürfnisse der Zeiten antwortenden Entwicklung des Caritasverbandes, seien die Zukunftsperspektiven nicht uneingeschränkt positiv zu beurteilen. Das gesellschaftliche Umfeld und die Rahmenbedingungen karitativer Arbeit hätten sich einschneidend verändert: „Wird es der Kirche gelingen, den Menschen auch weiterhin soziale Dienste mit einem eigenständigen, dezidiert christlich geprägten Profil anzubieten und dieses Proprium als Mehrwert plausibel und begehrt zu machen?“
Die Beantwortung dieser Frage dürfte, so der Historiker, für die Zukunft der Caritas nicht nur in der Diözese Regensburg entscheidend sein.
„Verbandliche Caritas heißt: bestmögliche Hilfe für alle, die dieser Hilfe bedürfen“, sagte der Caritasvorsitzende und Domkapitular Michael Dreßel beim Festakt im Regensburger Kolpinghaus. Das Motto des Tages formulierte schließlich Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa: „Feiern wir heute, arbeiten wir morgen und versuchen wir weiter gemeinsam, die Welt ein bisschen besser zu machen.“