NIEMAND DARF SOZIAL ABSTÜRZEN!
Deutscher Caritasverband e.V.
09.07.2021
Wohnen, Bildung, Armut: Corona hat einmal mehr gezeigt, wie unterschiedlich Lebensbedingungen in Deutschland sind.
Damit Menschen in schwierigen, aber auch bislang geregelten Lebensverhältnissen nicht in soziale Notlagen geraten, muss das Netz sozialer Sicherung fester geknüpft werden. Deshalb fordert die Caritas eine bessere soziale Absicherung, Maßnahmen gegen Kinderarmut und für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Soziale Sicherungssysteme auf Lücken überprüfen
Die Pandemie hat gezeigt, wie entscheidend eine funktionsfähige soziale Infrastruktur für das Wohlergehen der Menschen und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Von Krankenhaus, zur Allgemeinen Sozialberatung bis hin zu bezahlbarem Wohnraum und familienfreundlicher, fair bezahlter Arbeitsplätze: Die soziale Infrastruktur muss umfassend und für alle vorhanden sein. Jeder Mensch muss die Angebote dort in Anspruch nehmen können, wo er lebt. Der Zugang zu verlässlicher Kinderbetreuung, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder zu Beratung in schwierigen Lebensphasen, muss für alle gewährleistet sein.
Um die soziale Infrastruktur zu stärken, fordern wir von der künftigen Bundesregierung unter anderem:
- Die präventive Schuldnerberatung braucht einen verankerten Rechtsanspruch und die Suchtberatung muss mit einer kostendeckenden, bundesweit einheitlichen und verlässlichen Finanzierung der Grundversorgung ausgestattet werden.
- Handlungsbedarf besteht auch bei der angemessenen Unterbringung von wohnungs- und obdachlosen Menschen und der ordnungsrechtlichen Unterbringung, unabhängig von der Staatsangehörigkeit.
- Die Sprachbarriere ist unter anderem eine große Hürde zu Angeboten der Daseinsvorsorge. Diese Hürden müssen beseitigt werden, nicht zuletzt durch Sprachvermittlung für Menschen mit Migrationshintergrund. Behörden und öffentliche Einrichtungen müssen sich interkulturell öffnen, um der Vielfalt der Gesellschaft Rechnung zu tragen.
- Die Kommunen müssen finanziell so ausgestattet sein, dass sie eine verlässliche Finanzierung der Daseinsvorsorge und ein angemessenes Angebot sozialer Infrastrukturleistungen gewährleisten können.
Bildungsgerechtigkeit jetzt endlich umsetzen
Kinder wachsen in erster Linie in Familien auf. Die Familie hat entscheidenden Einfluss auf die persönliche Entwicklung und die Bildung von Kindern. Um Kinderarmut zu vermeiden müssen wir deshalb das familiäre Umfeld, die ökonomische Situation der Eltern und die Erziehungskompetenz unterstützen. Auch Gewalt gegen Kinder muss verhindert werden. Beratungs- und Unterstützungsangebote für die Eltern sowie Bildungs- und Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche sind dafür unverzichtbar.
Die Bildungschancen von Kindern sind darüber hinaus sehr unterschiedlich ausgeprägt und werden zudem von der sozialen Herkunft beeinflusst. Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern erreichen das Abitur deutlich seltener (39 Prozent) wie Jugendliche aus bildungsnahen Elternhäusern (81 Prozent). Durch die Corona-Maßnahmen ist die Ungleichheit der Bildungsvorraussetzungen und ‑chancen zusätzlich verschärft worden.
Um eine gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung sicherzustellen, fordern wir unter anderem von der künftigen Bundesregierung:
- Kindertageseinrichtungen müssen in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft und innerhalb des Bildungssystems durch bessere Rahmenbedingungen gestärkt werden. Denn sie sind für über 90 Prozent der Kinder die erste außerfamiliäre Bildungsinstitution und besonders für Kinder aus benachteiligten Familien entscheidend für die Bildungsbiografie.
- Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder muss als ein Rechtsanspruch auf ein Angebot von Erziehung, Bildung und Betreuung verankert werden und über einen reinen Betreuungsanspruch hinausgehen, um die positive Entwicklung der Kinder mit einem umfassenden Bildungs- und Teilhabeverständnis zu fördern.
- Die Leistungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe müssen von Anfang an auch für alle Kinder und Jugendliche im Asylverfahren offenstehen.
- Schulen müssen in die Lage versetzt werden, allen Kindern und Jugendlichen Zugang zu digitalen Endgeräten zu verschaffen. Wir fordern dafür eine Regelung im Bildungs- und Teilhabepaket.
- Schulsozialarbeit muss systematisch ausgebaut, abgesichert und als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt werden.

Kinderregelsätze und die Grundsicherungsleistungen insgesamt real berechnen
In Deutschland wächst mehr als jedes fünfte Kind in Armut auf. Das sind 2,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht zeigt, dass sich Armut verfestigt. Ein hoher Anteil der Kinder aus Armutslagen befindet sich auch noch im jungen Erwachsenenalter in dieser Situation. Alleinerziehende und Mehr-Kind-Familien weisen zudem ein überdurchschnittliches Armutsrisiko auf. Auch wenn Armut viele Ursachen hat und mehr als nur der Mangel an ökonomischen Ressourcen ist, kommt der Einkommensarmut von Familien eine besondere Bedeutung zu.
Um den Ursachen für Kinder- und Jugendarmut entgegenzuwirken, fordern wir von der künftigen Bundesregierung unter anderem:
- Trotz Reformen bei einzelnen Transferleistungen sind die Leistungen weiterhin verwaltungsaufwändig und bei vielen Familien nicht bekannt. Zum zehnjährigen Bestehen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) zeigt eine Caritas-Umfrage beispielsweise, dass die Konflikte bei der Lernförderung vorprogrammiert sind. Zudem sind die Leistungen in vielen Fällen unzureichend. Die gesetzlichen Vorgaben müssen reformiert und die Leistungen besser bekannt gemacht werden, damit sie verlässlich bei allen Familien ankommen.
- Damit Kinder und Jugendliche am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, muss Teilhabe bei der Existenzsicherung berücksichtigt werden. Das kindliche Existenzminimum muss deshalb einheitlich, transparent sowie sach- und realitätsgerecht ermittelt werden.
- Zudem sind Haushalte von sogenannten verdeckt Armen aus der Referenzgruppe zu Ermittlung der Regelbedarfe herauszurechnen. Der Anteil für Strom muss bedarfsdeckend sein. Mehrbedarfe für die dezentrale Warmwasserbereitung müssen erhöht werden. Gleichzeitig dürfen Erhöhungen der Regelsätze nicht zu neuen ausländerrechtlichen Hürden führen, indem der Nachweis der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung durch entsprechend erhöhte Mindesteinkommenssätze erschwert wird. Hier sollten die Anforderungen von den steigenden Regelsätzen entkoppelt und an der reinen Existenzsicherung festgemacht werden.
- Auch die Wohnsituation ist eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Aufwachsen von Kindern. Deshalb ist es erforderlich, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und SGB XII rechtssicher und auskömmlich ermittelt werden.
Weitere Forderungen der Caritas
Die Caritas setzt sich zur Bundestagswahl 2021 darüber hinaus für gute Pflege und für einen sozial gerechten Klimaschutz ein. Einen Überblick über unsere Forderungen finden sie unter “WIR FORDERN”.
Sie interesssieren sich für weiterführende Informationen zu unseren Forderungen oder möchten über die Themen ins Gespräch kommen? Hier finden Sie unser ausführliches sozialpolitisches Hintergrundpapier als PDF-Download.
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